REVEREND  CHARGER  290

 

            

 

Die Charger 290 ist eine Gitarre aus der Bolt On Serie der Firma Reverend. Es gibt auch eine Set Neck Serie, womit schon mal geklärt ist, dass die vorliegende Charger 290 einen eingeschraubten Hals hat. Die Bezeichnung 290 hat ihren Hintergrund in der Pickupbestückung. Hier findet man zwei Firmeneigene P90 Single Coils. Alle Reverend Gitarren werden zur Zeit in Korea hergestellt, daher auch der relativ überschaubare Preis von momentan (April 2007) 510 Euro. Man bekommt sie zur Zeit bei Taranaki.

Für die 510 Euro bekommt man einiges geboten, wie ich finde. Eine 5,5 mm dicken Fichtendecke ist auf einen Mahagoni-Korpus aufgeleimt. Aus akustischen- und aus Gewichtsgründen hat man diesem ein paar Tone Chambers an "strategisch" (Originalzitat!) ausgesuchten Stellen verpasst. An der Korpus-Oberkante gibt es ein cremefarbenes einfaches Binding. Der geschraubte Ahornhals hat 22 Bünde auf dem aufgeleimten, ebenfalls aus Ahorn bestehenden Griffbrett, die mittelbreit und eher flach ausfallen. Der Hals ist seidenmatt lackiert und hat ein recht sattes C-Profil, dass mir persönlich sehr gut gefällt. Der Griffbrettradius ist mit 12" eher modern flach gehalten, die Mensur fenderisch. Die Saitenlage ist auch sehr flach und die Bespielbarkeit von allererster Güte. Auch wenn ich eigentlich etwas höhere Bünde bevorzuge, der Hals spielt sich fast von selbst. Die Bundenden sind schön abgerundet, der Griffbrettrand macht keine Probleme. Man kann die Charger auch mit einem Rosewood Griffbrett ordern. Der Spannstab ist ein so genannter Dual Action Trussrod. Er arbeitet in beide Richtungen.

 

 

Die Testgitarre hat eine so genannte tobacco burst Lackierung mit Schwarzer Rückseite und schwarzen Zargen. Momentan gibt es als Variation noch eine goldene Decke, was auch nicht übel daherkommt. Ich hätte ein Problem, mich zu entscheiden.

Die Hardware kommt von Wilkinson. An der in Bezug auf das Design vielleicht für manche etwas gewöhnungsbedürftigen Kopfplatte gibt es gestaggerte Tuner. Das heißt die beiden für die tiefe E- und die A Saite sind etwas höher als die restlichen. Für die beiden hohen Saiten gibt es einen String Tree mit Rollen. Das alles gewährt einen gleichmäßigen Druck auf den Sattel. Apropos Sattel: der ist aus Graphit, was die Stimmstabilität unterstützt. Am anderen Ende der Saiten findet man einen Tuneomatic-Style Sattel mit Stoptail, wahlweise kann man die Gitarre aber auch mit einem Les Trem bekommen. 

Einen Dreiweg-Schalter gibt es, den man wohl nicht weiter erklären muss. Erwähnenswert ist aber noch, dass in dessen Mittelstellung aufgrund Humbucker-mäßiger Anordnung der beiden Singlecoils nichts brummt. Die drei Tele-artigen Potiknöpfe haben dagegen etwas mehr Erklärungsbedarf. Der erste regelt, noch ganz den Erwartungen entsprechend, die Lautstärke. Der zweite den Ton, der dritte ist aber dann etwas besonderes oder zumindest ungewöhnliches. Er regelt den Bassbereich, bzw. er dünnt diesen bei Bedarf aus. 

Die beiden Pickups sind and die jeweilige Position angepasst. Der am Steg hat laut Hersteller etwas mehr Output als ein normaler P90, womit wohl das Gibson Original gemeint sein dürfte. Der Vertreter am Hals soll dagegen etwas gemäßigter und cleaner daherkommen. 

    

Wenn ich die Gitarre jetzt so von oben bis unten anschaue und befingere, dann komme ich zu dem Schluss, dass sie bestens verarbeitet ist. Der Hals passt wie die Faust auf das Auge in den Korpus, die Lackierung ist überall klasse, alles ist da wo es hingehört und das ohne zu wackeln oder was auch immer. Die Gitarre ist außerdem sehr gut eingestellt. Ich kann da tatsächlich über nichts meckern.
Ok, vielleicht könnte man sich ein bisschen darüber mokieren, dass auf den Bundstäbchen hier und da Lackreste zu finden sind, aber das "Problem" löst sich schnell von selbst. Die muss man nur "abspielen".

Also dann das Kabel in die Buchse, die wie bei einer Telecaster oder Paula hinten unten in der Zarge sitzt, und ab geht es.

Hängt sie vor dem Bauch, kommt Telecaster Feeling auf. So ungefähr ist das Spielgefühl. Eine Paula hängt, was die Hände betrifft, weiter links. Zum direkten Vergleich habe ich mir meine Telecaster und meine ES 135 gegriffen. Die Strat nicht, weil sofort klar wird, dass die Charger 290 mit einer Stratocaster nichts gemein hat, da strattelt nix. Im Vergleich Tele und ES tendiert die Charger klanglich deutlich mehr zur ES. Sie klingt voll, warm und kräftig und bei weitem nicht so twangig wie meine Telecaster. Wie aufgrund der beiden P90 zu erwarten, gibt es aber im Gegensatz zur Humbucker-ES ein deutlich ruppigeres und rotzigeres Klangbild. Die P90 haben ihre Stärken im cleanen bis mäßig zerrenden Bereich. High Gain klingt zwar auch gar nicht mal übel, dann brummt aber heftig. Heftiger als die Single Coils der Tele und natürlich auch die Humbucker der ES.

Schrill gibt es nicht, dazu müsste man schon die Höhenregelung des angeschlossenen Verstärkers ziemlich vergewaltigen. Die Charger hat zwar ordentlich Biss, aber zu giftig ist sie nicht. Schön langes Sustain ist da und man kann es gut singen lassen. Man muss nicht so kämpfen wie auf einer Strat oder Tele alter Schule. Einen mittig, holzigen Charakter gibt es, mit dem es sich bestens bluesen lässt. Richtig klasse ist mir auch der Bassregler aufgefallen. Mit einem kleinen Dreh kann man den Klang schön aufklaren und transparenter machen. Dreht man das Poti wieder ganz auf, wird es wieder dicker und wärmer, das funktioniert ausgezeichnet in allen Pickup Positionen. Mit herausgedrehten Bässen erhält man keinesfalls einen out of phase mäßigen dünnen Plänkelkram oder so was, sondern einen vollwertigen anderen Charakter, der mehr in Richtung "richtiger" Single Coils geht. Den Regler finde ich richtig gut.

Alle drei Pickup Positionen klingen und sind ausgewogen. Die Mittelposition gibt einen schönen perligen Sound, der besonders in cleanen Gefilden eine gute Figur macht. Der Stegpickup rotz schön frech und kompakt. Der am Hals bringt mehr Wärme, ohne je Gefahr zu laufen, zu matschen oder zu mulmig zu klingen. Dazu sind die P90 einfach zu stramm. Mit dem Volume Poti lasst sich der Zerrgrad des angefeuerten Röhrenamps sehr gut steuern, ohne dass Höhenverluste entstehen und die Gitarre reagiert gut auf den Anschlag bzw. auf verschiedene Anschlagsvarianten. Kurzum: ein sehr gutes Arbeitsgerät.

 

  

 

Die Reverend Charger 290 macht einen richtig guten Eindruck, sie gefällt mir bestens. Meiner Meinung nach bekommt man, vorausgesetzt es gibt keine großen Qualitätsstreuungen bei Reverend und alle sind qualitativ so wie die Testgitarre, richtig gutes gutes Zeug für sein Geld.
Ich finde das Preis- Leistungsverhältnis sehr gut. Wer die Optik der Gitarre und P90 Pickups mag, macht beim Kauf keinen Fehler, denke ich. Ein kleiner Knick ist, dass die Gitarre, wenn ich das richtig verstehe, leider ohne Koffer kommt. Der schlägt noch mal mit 110 Euro zu Buche.

 

© Bilder und Text, Dieter Stenzel, 10.04.2007

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