LANEY VC15-110

 

 

Kleine Vollröhrenamps mit geringer Wattzahl sind sehr beliebt. Ein Grund dafür ist sicher, dass man auch ohne Gehörschutz richtig aufdrehen und auch die Endstufenröhren hörbar mit ins Klangeschehen einbeziehen kann. Meist sollen diese leistungsschwächeren Amps dann auch sehr klein und leicht sein und es wird oft nur ein einzelner 10 Zoll Speaker verbaut. So ist es auch beim kleinen Testkandidaten von Laney. Leider, 12 Zoll wäre schöner, jedenfalls meiner Meinung nach, aber dazu weiter unten mehr.

Die ehrwürdige englische Marke Laney, die es nie so richtig schaffte aus dem Schatten des großen Bruders Marshall heraus zu kommen, hat in der kleinen 15 Watt Klasse gleich zwei Vertreter am Start. Der eine heißt LC und der andere VC und beide unterscheiden sich doch recht deutlich. Der hier beschriebene VC15 ist der teurere. Er läuft mehr auf der Vintage Schiene, ist dabei trotzdem aber auch umfangreicher ausgestattet.

 

               

 

Der kleine EL84 Class A/B Verstärker hat zwei Kanäle, die sich eine Klangregelung mit Bass, Middle und Treble teilen. Dazu kommt ein Tone Regler, der nur den Höhenbereich der Endstufe beeinflusst, in der Wirkung vergleichbar mit dem Presence Regler mancher Marshall Amps. Der Clean Channel hat einen Volume Regler und einen Bright Switch zur Anhebung der Höhen. Der Zerrkanal hat einen Drive und einen Drive Volume Regler, Zerrgrad und Lautstärke also. Es gibt zwei Inputs, HI und LO und einen Druckschalter zum Kanalwechsel. Einen Standby findet man nicht, entweder der Amp ist an oder nicht. Die Abteilung Effekte hat einen Hall parat, der auf beide Kanäle wirkt. Eine rote LED zeigt an ob der Amp an ist. Dazu eine grüne ob der Zerrkanal gerade dran ist oder doch lieber der friedlichere cleane.

 

 

Außerdem gibt es in der Rückseite einen parallelen, aber nicht weiter regelbaren Effektweg und einen 8 Ohm Speaker Out für eine externe Box. Wird diese belegt ist der interne 10 Zoll Speaker mucksmäuschenstill. Die letzte der vier Klinkenbuchsen in der Rückseite ist eine Stereobuchse für einen Fußschalter. Damit kann man die Kanäle und den Hall schalten. Alles in allem gibt es in Sachen Ausstattung also Vollbedienung. Der kleine kommt wie ein großer daher.

 

                     

 

Die Verarbeitung ist ok. Manche der verwendeten Schrauben sind nicht gerade schön, so a la billig Baumarkt matt verzinkt aus der Hunderterpackung, das kommt nicht gerade sehr edel rüber. Einige sind schief eingedreht.
Ich kenne auch Amps, bei denen das Tolex etwas sorgfältiger verklebt ist, vorne rechts auf der Frontplatte hat es z.B. den Kleber etwas verschmiert. Naja... Dafür gibt es an anderer Stelle aber wieder richtige Lichtblicke, z.B. Röhren von TAD in Keramiksockeln. Und ein Jensen Speaker ist verbaut. Da scheiden sich zwar die Geister, ich mag die "neuen" Jensen aber sehr gerne. Ich habe z.B. auch einen Jensen C12Q in einer 1x12 Zusatzbox, die ich immer in Verbindung mit meinem Deluxe Reverb verwende. Diese Zusatzbox passt auch perfekt zum kleinen Laney, womit wir beim Hauptthema wären: dem Klang.

So ganz allein im großen Raum klingt er topfig und klein! Ja, so ist das. Das hört sich erst mal vernichtend an, ist aber halb so schlimm. Der Grund dafür ist nämlich sofort gefunden, es liegt nicht am Amp sondern am Speaker bzw. an dessen Größe. Er hat eben nur einen kleinen einsamen 10ner und Amps mit nur einem 10ner klingen eben so. Jedenfalls ist das meine ganz subjektive Erfahrung und Meinung. Sicher gibt es auch Leute, die mit einem kleinen Fender Pro Junior auf die Bühne gehen und das klasse finden, ist ja auch völlig ok, alles geht. Aber jeder, der mal einen Amp mit einem 12er neben einen Amp mit einem 10ner stellt, beide richtig aufdreht und direkt vergleicht, der wird zumindest hören was ich meine. 

Zu Haus im Wohnzimmer ist das aber ein anderes Thema. Denn bei leiserer, die Nachbarn schonender Lautstärke sieht das schon ganz anders aus. Da passt der kleine 10ner. Der kleine Amp ist richtig klasse für Zuhause und für das Studio im Keller oder so. Dafür ist er meiner Meinung nach gemacht. Er ist bassig ausgelegt, was sich im Betrieb mit dem kleinen 10 Zöller sehr positiv bemerkbar macht und ihn größer klingen lässt als viele andere Amps dieser Klasse.

Soll es trotzdem mal auf die Bühne oder in die Kneipe nebenan gehen, sollte man sich eine 1x12 Box anschaffen. Damit geht die Sonne auf und zwar wirklich verblüffend. Der Amp klingt dann wesentlich breiter, nicht mehr so mittig topfig und plötzlich auch im lauteren Proberaum richtig erwachsen. Seine cleanen Reserven sind allerdings natürlich durch die geringe Leistung dann nicht allzu hoch. Dafür zerrt es im cleanen Kanal aber richtig schön dynamisch und erdig an, wenn man ihn aufdreht. Das macht richtig Spaß. Diese Einstellung ist meiner Meinung nach auch ein richtiges Highlight bei diesem kleinen und nicht teuren Amp. Da sollte sich so mancher teurere lieber verstecken.

 

              

 

Aber erst mal langsam und zu Haus:
der cleane Sound ist mit meiner Strat glasklar, mit meiner ES ist von Anfang an ein klein wenig "Dreck" im Spiel. Natürlich könnte ich auch den Lo Eingang nehmen, das mache ich aber nie. Bei Lo Eingängen fehlt mir immer irgendwas und ich stecke sofort wieder um, von mir aus könnte man völlig auf so was verzichten.
Der cleane Klang ist nicht ganz so bauchig fender-like glockig sondern ein klein wenig britisch knochiger, so wie EL84 eben so klingen. Man kann alles damit machen, es kann warm jazzig sein oder man kann mit viel Höhen, Hall und Strat den Surfer raushängen lassen. Er klingt ausgewogen und hat für so einen kleinen Amp auch unten herum überraschend viel Fundament zu bieten. Der warm klingende und sehr gut dosierbare Hall gibt der Sache dann schön Raum, womit der kleine Laney meinen bisherigen "Zuhaus-Röhrenzwerg" Peavey Classic 20 fast aus dem Rennen und fast zu Ebay geworfen hätte. Der hat nämlich keinen Hall Ich habe den Classic 20 dann zum Glück aber doch noch behalten, weil er einen ganz anderen rotzigeren Zerrcharakter hat, das ist ein völlig anderer Amp.
Ok, der Hall meines Fender Deluxe Reverb ist schöner als der des kleinen Laney, aber mich stellt der des VC15 zufrieden. Man sollte sich dabei auch vor Augen halten, das der kleine Laney VC15 gerade mal einen Deut mehr als 400 Euro kostet.

Im Zerrkanal geht es erst mal clean los und mit der Strat muss ich den Drive Regler auch schon so auf 4 (Skala 1 bis 10) aufdrehen, damit leichtes Zerren ins Spiel kommt. Mit der Humbucker-ES geht es natürlich schneller los. Danach geht es gut einstellbar hoch bis zu einem ziemlich satten Zerrgrad, der für alle Rockbelange ausreichen sollte. Der VC15 ist eher vintage, Metaller müssen dann eben etwas vorschalten. Der Laney ist pedalfreundlich, aber wer nicht gerade extreme Zerre braucht, kann die Treter eigentlich in der Schublade lassen.

Der Klang des Zerrkanals ist nicht wirklich aggressiv, der Peavey Classic 20 ist z.B. bissiger. Ein bisschen schönfärberisch ist das, aber nicht unbedingt komprimiert und tragend. Ehrlich, aber eben nicht so rotzig wie ein EL34 Marshall oder der kleine Peavey Konkurrent. Der Laney klingt eleganter, der ist eher so der nettere Blueser. Das heißt aber nicht, dass er sich nicht durchsetzt oder irgendwie lahmarschig wirkt, ganz und gar nicht. 

Die Klangregelung ist dabei sehr brauchbar, insbesondere auch der Tone Regler für die Endstufe. Der nur auf den ersten Kanal wirkende Bright Switch erleichtert die Abstimmung zwischen dem Clean Kanal und dem Drive Kanal, da ersterer mehr Höhen benötigt. Ein gewisser Grundsound bleibt immer, ich würde den Amp aber trotzdem als recht vielseitig bezeichnen. Die verschiedenen Gitarren und Pickups werden auch sehr gut dargestellt, dies ist ein ehrlicher Amp.

 

                    

 

Den Effektweg habe ich mit einem Alesis 19 Zoll Multi, mit einem Line6 MM4 und einem schnöden Boss Bodentreter Chorus ausprobiert und hatte keine Probleme. Mit allem gab es für mich gute Resultate bei zivilen Lautstärken. Wenn die Endstufe bei mehr Dampf zerrt, hört sich alles eingeschleifte natürlich nicht so pralle an, weil mitverzerrt. Aber das ist alles Geschmackssache. Für mich funktioniert der Effektweg jedenfalls gut.

Was mir noch auffiel ist, dass der Amp einen relativ kühlen Kopf behält. Natürlich kommt recht warme Luft aus den Kühlschlitzen oben und auch die Reglerplatte wird warm, aber das wirkt alles recht harmlos. Der Peavey Classic 20 wird um bei dem Vergleich zu bleiben z.B. deutlich heißer. Auch in Sachen Nebengeräusche kann ich nichts negatives sagen. Wenn man ihn richtig aufdreht, gibt es natürlich Rauschen ect., aber das bleibt alles völlig im grünen Bereich.

Mein subjektives Fazit: genialer kleiner Röhrenbrüller für kleinere Anlässe, der mit Zusatzbox auch richtig erwachsen werden kann. Wenn man sich dazu noch den Preis von knapp über 400 Euro und die Ausstattung vor Augen führt, muss man sich den eigentlich kaufen. Sehr empfehlenswertes Teil.

Wer sich eine zweite Meinung einholen will, der sollte den schönen und umfangreichen Testbericht von Ebo Wagner in der Gitarre&Bass Ausgabe 9/2005 besorgen (das geht z.B. über die G&B Website). Dort schneidet der Amp auch sehr gut ab. Den dort bemängelten Schaltknacks beim Schalten zwischen den Kanälen kann ich mangels passendem Fußschalter momentan leider nicht kommentieren. Es trifft aber definitiv nicht zu, dass die Klangregelung nicht auf den Cleankanal wirkt. Bei meinem kann ich damit jedenfalls beide Kanäle verbiegen.

Nachtrag Juli 2009:
Mittlerweile gibt es den kleinen Laney in einer überarbeiteten Version. Optisch wurde er durch ein anderes Laney-Schild, anders gestaltete Lüftungsöffnungen und um das Gehäuse laufende "Zierkeder" nach Marshall-Art aufgewertet. Technisch hat sich auch etwas getan. Der Hall ist jetzt digital und der Effektweg ist mit einem dreistufigen Schieber auf -10 dB oder 0 dB Pegel und außerdem auf Bypass schaltbar.

 

                                                                                                                                           © Bilder und Text, Dieter Stenzel, 12.11.2007

 

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