Epiphone Dot
Epiphone ist ein ehrwürdiger alter Name im Gitarrenkosmos. Die Firma wurde schon 1928 von einem Herrn Epaminondas Stathopoulo, Spitzname "Epi" in New York gegründet und war insbesondere für hochwertige Archtop Gitarren bekannt. Schon seit 1957 gehört Epiphone aber zur Gibson Familie und fristet ein Dasein als Namensgeber für Gitarren im mittleren bis unteren Preissegment. In erster Linie gibt es unter dem Epiphone Label günstigere Kopien so ziemlich aller bekannten solid- und hollowbody Gitarren von Gibson. Gebaut werden sie in Asien. Die Epiphone Dot ist eine der "Günstig-Varianten" der Gibson ES 335 und im Prinzip genauso gebaut wie die teure Schwester. Es gibt als Konkurrenz im eigenen Hause noch die etwas opulenter geschmückte Sheraton. Leicht zu verwechseln sind auch die Casinos, die aber einen komplett hohlen Korpus haben und eher der Gibson ES 330 nachempfunden sind. Das Testmodel, das hier zu sehen ist stammt aus dem Jahr 2006 und wurde in Korea gebaut. (Dazu nebenbei: Die zum Testzeitpunkt 08.2015 aktuellen Epiphone Dots stammen nicht aus Korea! Gebaut werden sie momentan in China oder Indonesien.) Es ist eine Dot CH, wobei das CH nur die Farbe bezeichnet: Cherry red. Die kirschrote Schöne ist eine Leihgabe, danke dafür an Lorenz!
Der Korpus besteht rundherum aus laminiertem Ahorn. Der recht kräftige Hals mit sattem D-Profil ist aus Mahagoni, jedenfalls bin ich mir da aufgrund der Optik sehr sicher. Das trifft auch auf den so genannten Sustainblock im Korpus zu. Der sieht ganz klar nach Mahagoni mit angesetzten Ahornstücken zur Decke und zum Boden aus. Das Palisandergriffbrett ist mit schwarzem Binding einfasst, das aber nicht wie bei der großen Schwester die Bundenden mit einbezieht. Die Bundenden sitzen oben drauf. Auf dem Griffbrett findet man die Orientierungspunkte, die namensgebenden Dots. Die Bünde sind eher kräftig und auch nicht zu flach. Die Saitenlage lässt sich sehr niedrig einstellen, ohne dass irgendwo etwas schnarrt. Das ist alles sehr gut gemacht, auch der Kunststoff Sattel und dessen Kerben geben keinen Grund zum Meckern. Die Mechaniken sind amtliche Teile von Grover, die Metallteile alle verchromt. Der Korpus hat ein einlagiges Binding in Beige verpasst bekommen, das sieht natürlich etwas spartanischer aus als das mehrlagige der Gibson ES 335. Insgesamt macht die Epi Dot aber einen sehr wertigen Eindruck. Die Verarbeitung ist klasse! Insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich hier um ein Instrument handelt, dass im Jahr 2006 410 Euro gekostet hat. Meine fast fünf mal so teure Gibson ES 135 von 2002 ist z.B. ganz objektiv betrachtet im Grunde nicht wirklich erwähnenswert besser verarbeitet.
ES 335 sind grundsätzlich sehr "wuchtige" Gitarren. Jedenfalls empfinde ich das immer so, wenn ich eine in die Hand bekomme. Das empfinde ich immer schon einfach so, ohne die Gitarre elektrisch zu verstärken. Schon rein akustisch haben die für mich immer etwas sehr wuchtiges und kompaktes im Klang, das in der Regel eine Les Paul oder z.B. meine ES 135 nicht hat. Ich denke, das liegt an der bestimmten Bauweise, am Verhältnis der Hohlräume zu den massiven Komponenten. Meine ES 135 klingt luftiger und weniger schwer und ich glaube, das liegt an der größeren Korpustiefe und den dadurch größeren Hohlräumen. Warum eine Les Paul diese bestimmte Wucht in der Regel nicht bietet, ist mir aber ein Rätsel. Elektrisch verstärkt verschwindet davon etwas, aber auch da ist eine ES 335 für mich immer eher die kräftigere Gitarre. Das ist alles natürlich sehr subjektiv, aber z.B. auch der Grund, weshalb ich eine ES 135 und keine 335 spiele. Mir sind 335 subjektiv meist eine Spur zu wuchtig und kräftig. Aber das ist eben nur ganz subjektiv und spricht natürlich überhaupt nicht gegen dieses Gitarrenmodell, ganz im Gegenteil. Das ist Bestandteil des Charakters dieser schönen Dinger. Und dass die sehr klasse klingen beweisen ja unzweifelhaft unzählige Aufnahmen der Musikgeschichte. Dieses "Wuchtige" empfinde ich auch bei der Testgitarre. Und das gepaart mit sehr schön ausgeprägtem Sustain. Der Ton steht und klingt sehr lang auf hohem Level bleibend aus. Der Anschlagknack ist nicht so ausgeprägt, der Ton ist von Anfang an satt da. Für mich ist das ein typisches Merkmal von Mahagonihälsen, Ahornhälse bringen meiner Erfahrung nach den Attack, den Anschlag mehr in den Vordergrund. Das ist jetzt alles noch die Beschreibung der rein akustischen Merkmale der schönen roten Dot. Erst jetzt geht es ans Eingemachte bzw. in die Eingangsbuchse meines Fender Deluxe Reverb. Jetzt zeigt sich, was die Pickups vom Beschriebenen so umsetzten oder dazu beisteuern.
Zwei Humbucker sind am Start. Die sind ganz normal verschaltet, es gibt also die typischen drei Sounds: Stegpickup, Halspickup und die Kombination von beiden. Die Pickups haben einen für mich "normalen" Output. Nicht zu schwach, aber auch nicht besonders hoch. Das Verhältnis zueinander ist recht ausgewogen, man muss keinen von beiden besonders tiefer oder höher als den anderen schrauben, um die Lautstärke anzugleichen. Alles in allem bringen die Pickups den Charakter der Gitarre gut rüber. Die Gitarre singt, ein schöner runder Blueston ist die Domäne. Der Halspickup "patscht" richtig schön süsslich ohne zu matschen. Der Stegpickup klingt warm und kompakt und hat bei verzerrten Sachen seinen stärkeren Auftritt. Die Zwischenposition ist typisch glockig, bleibt aber auch eher in wärmeren Gefilden. Das heiß alles nicht, dass nicht genug Höhen da wären! Die Gitarre kann bei Bedarf auch ganz schön beißen, aber die Grundtendenz ist eben eher warm und gemäßigt. Aggressives ist nicht ganz so ihr Ding. Ich würde sagen, dass ist aber typisch für dieses Gitarrenmodell an sich. Ich könnte mir vorstellen, dass bessere Pickups noch mehr aus der Gitarre herausholen. Nicht unbedingt mehr Höhen, aber mehr Brillanz und mehr "Körper" sozusagen. Der rein akustische Klang lässt da für mich etwas mehr erahnen, als die Pickups nachher wirklich rüber bringen. Pickups sind mehr als einfach nur um Magnete gewickelte Drähte, es gibt nicht umsonst jede Menge Pickup-Manufakturen und ein fast unüberschaubares Angebot an unterschiedlichen Tonabnehmern. Aber trotzdem, auch mit den originalen Pickups klingt es amtlich. Man kann den Ton gut bearbeiten und die Gitarre gibt Rückmeldung. Hier gilt wieder: Ok, es gibt Gitarren, die können das besser, aber die kosten dann auch ganz schnell ein vielfaches der hier bezahlten 410 Euro!
Mein ganz subjektives Fazit:
© Bilder und Text, Dieter Stenzel, 21.08.2015 |
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