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Epiphone 1962 50th Anniversary Sorrento
Die Epiphone Sorrento ist Teil einer kleinen Jubiläumsserie von drei Gitarren und einem Bass, die die Firma 2012 aufgelegt hat. Die Instrumente sind limitiert auf jeweils nur 1962 Exemplare, die Testgitarre ist die Nr. 909. Es gibt sie in Naturfinish und in der Farbe Royal Olive, die hier zu sehen ist. Das ist ein etwas grünlich angehauchtes helles Sunburst, das auf den Fotos je nach Bildschirm leider etwas anders rüberkommt als original. Damals 1962 hieß das Modell Sorrento E452TDN.
Mitgeliefert wird neben einem Zertifikat ein wirklich schöner, wertiger und tauglicher grauer Koffer mit blauem Interieur. Die Sorrento ist eine richtige "Hollow Body". Sie hat einen hohlen Korpus ohne Sustainblock. Neben bestimmten Klangmerkmalen beschert uns das eine recht leichte Gitarre. Der Korpus ist ganz klassisch aus gesperrtem Ahorn, Zargenhöhe 4,5 cm. Der Hals ist aus Mahagoni, dreiteilig mit angesetzter Kopfplatte und mit einem Palisandergriffbrett. Die Mensur ist Gibson-typisch, die beiden Mini-Humbucker sind ebenso von Gibson, der momentanen Epiphone-Mutterfirma. Authentisch ist auch der Tune-o-matic Steg mit dem Rappeldraht, der verhindern soll, dass beim Saitenwechsel die Böckchen rausfallen und irgendwo unauffindbar verschwinden. Der Steg sitzt auf einer Palisanderbrücke, die nicht fixiert ist. Das Bigsby auf der Testgitarre ist nicht original. Das hat ein Vorbesitzer nachgerüstet, Werksausstattung ist ein Trapez Tailpiece. Der Hals ist schön kräftig. Nicht zu dick, nicht zu dünn. Sozusagen ein Allrounder. Der Gurtknopf auf dem Halsfuß geht für mich gar nicht. Der gehört in die obere Zarge über dem Hals. Am Halsfuß kommt er der Greifhand in dem Bereich ziemlich heftig in die Quere und macht die Vorteile des Cutaway wieder zunichte, finde ich. Sehr schön finde ich dagegen ganz subjektiv die Kopfplatte mit dem verschraubten Blech, das das Logo trägt. Die normale Epiphone Kopfplatte ist mir etwas zu lang, das wird hier durch das kleine Blech kompensiert. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Richtig vintage kommen auch die kleinen weißen Tuner-Böhnchen rüber. Die Tuner sind noch recht schwergängig zu bedienen, aber das wird sich wohl einlaufen. Die Pickups werden ganz normal per Toggle Switch angewählt: Steg, Kombination, Hals, so wie man es kennt. Jeder Pickup hat seinen Volume und Ton Regler. Auf denen sitzen die schönen Knöpfe mit der silbernen Platte oben drin. Die mag ich am liebsten auf Instrumenten dieser Art. Das Tortoise Pickguard kommt mir ein bisschen billig rüber, ist aber authentisch. Insgesamt eine sehr schöne Gitarre, die auch sehr schön verarbeitet ist.
Durch den hohlen Korpus ist die Gitarre rein akustisch schon recht laut am Werk. Nicht so laut, wie eine "richtige" Akustikgitarre, aber deutlich lauter als eine normale E-Gitarre oder auch z.B. eine ES mit Sustainblock. Das ist ganz nett für das stille Kämmerlein. Aber das ist nun mal eine elektrische Gitarre, deshalb ran an den Verstärker: Die Gibson Mini Humbucker haben nicht viel Output. Das liegt in dem Bereich Singlecoil. Die nachgerüsteten P90 in meiner Gibson ES 135 haben in dem Vergleich z.B. ein sehr deutliches Pfund mehr parat. Insgesamt ist die Gitarre sehr höhenreich am Werk, die kann ganz schön klingeln. Der hohle Korpus ist insbesondere auf den tieferen Saiten zu "hören". Dort kommt diese typische Charakteristik zu Tage. Da ist sehr viel Holz im Ton. Mir kommen da solche Attribute wie holzig, rauchig, knochig, trocken, twangig, rau, knorrig in den Sinn. Da ist etwas, was eine Solidbody oder auch eine Gitarre mit Sustainblock nie hat und konstruktionsbedingt auch nie haben kann. Wenn es denn nicht gerade High Gain ist (da fängt so eine Gitarre dann sowieso natürlich auch leicht an zu koppeln und zu Hupen), dann klingt das für mich auch immer irgendwie "alt". So wie früher sozusagen. Ein bisschen hat dieses "alt" auch folgenden Grund: Warum heißt ein Sustainblock Sustainblock? Das merkt man, wenn er fehlt! Das Sustain ist auch hier bei dieser Sorrento nicht so ausgeprägt. Der Ton steht fett drei/vier Sekunden, verpieselt sich dann aber deutlich schneller als bei Solidgitarren oder Semis mit Sustainblock. Das ist kein Nachteil sondern bauartbedingt. Man kann sehr gut Jazzen damit! Wer z.B. wie ich Grant Green mag, der findet hier diesen Klang. Allerdings sollte man dann die Höhen etwas zähmen, was gut mit den Gitarrenreglern funktioniert. In Sachen Höhen kann diese Sorrento glatt mit einer Tele konkurrieren, würde ich sagen. Man muss bei dieser Gitarre mit den Höhen umgehen, wie bei einer Tele. Blues, Rockabilly, Bluesrock, Beat, Slide-Sachen, und alles was "honkig" klingen soll... das ist die Domäne dieser Gitarre. Da passt der Sound richtig gut. So ein bisschen "Leben" fehlt ihr aber noch im
zugegebenerweise etwas unfairen direkten Vergleich zu meiner seit über
zehn Jahren intensiv eingespielten ES 135.
Speziell zur Testgitarre muss ich noch ein paar
Mankos erwähnen! Die Sattelkerben sind nicht tief genug gefeilt, da war
man viel zu vorsichtig. Sowas findet sich aber öfter in dem Preissegment
und darunter. Das nachgerüstete Bigsby bringt eindeutig zu wenig
Saitendruck auf den Steg! Wenn man ihn nicht noch nachträglich fixiert,
kann er ziemlich leicht seinen Standort wechseln. Ich lege gern den
Handballen auf den Steg. Da reichte schon leichter Druck, um das ganze
Teil in Richtung Pickup zu verschieben. Und ein zu harter Anschlag kann
auch schon mal eine Saite vom Böckchen fegen. Da müsste also eigentlich
ein Bigsby mit Niederdruckrolle drauf. Ich bezweifle auch, dass das
Verschiebe-Problem mit dem originalen Trapez Tailpiece behoben ist, denn
das bringt auch nicht allzu viel mehr Winkel und damit Druck auf den
Steg. Mein subjektives Fazit:
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© alle Bilder und Text, Dieter Stenzel, 03.12.2015 |